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Angelologie der Geschichte. Fragen an Dr. Emil Pales

(Waage und Wandel, Herbst 2002)

 

Seit zwölf Jahren beschäftigen Sie sich mit der Rhythmik in der Kulturgeschichte. Resultate Ihrer Forschung erscheinten als „Angelologie der Geschichte” im Mai 2001 auf 660 farbigen Seiten in der slowakischen Originalausgabe. Seitdem gaben sie mehr als 120 öffentliche Vorträge, Zeitungs- und Rundfunkinterview und drehten eine Fernsehserie „Mysterium des Lebens“. Die ganze Auflage von 3000 Stück war in weniger als einem Jahr vergriffen. Was hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Ihre Arbeit so gefesselt?

Ich habe eine Entdeckung gemacht, in der sich die modernste Wissenschaft mit den ältesten spirituellen Traditionen der Menschheit begegnet. Ein Teil der mittelalterlichen Engellehre konnte ich dechiffrieren und empirisch bestätigen: das Wissen über die Zeitgeister.

 

Wann und wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Ursprünglich studierte ich Mathematik. Dann leitete ich ein Forschungsprojekt in der künstlichen Intelligenz an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften. Seit 1994 begründete ich die Sophia-Stiftung und verlasste Akademie. Wir waren eine Handvoll Freunde, die für das Erheben der geistigen Lage unseres Landes etwas tun wollten. Etwa dreitausend Leser unserer Zeitschrift aber unterstützen uns. Ohne sie wäre meine Forschung ganz unmöglich.

Erst später erfuhr ich, daß Vladimir Solowyoff die Sophiologie als Bestreben um die organische Synthese der Kosmologie, Anthropologie und Theologie definiert;oder als eine Synthese von positiven Wissenschaften, Religion und Kunst. Dieses Ziel schwebte mir seit meiner Jugend vor.

 

Ihr Buch trägt den Untertitel Periodische und parallele Erscheinungen in der Geschichte“. Können Sie ein illustratives Beispiel dieser Art Erscheinung angeben?

Das bekannteste Beispiel einer paralleler geschichtlichen Entwicklung ist die sogenannte axiale Epoche von Karl Jaspers. Etwa zwischen 600 und 300 v. Chr. sind überall in der alten Welt große Weisen und Religionsstifter erschienen. Lao-tse, Konfuzius, Buddha, Zarathustra, die griechischen Philosophen und Prophäten Israels waren Zeitgenossen. Nichtwissend übereineander lehrten sie alle die gleichen Grundgedanken.

Für die materialistische Wissenschaft ist dies unbegreiflich. Es ist eine Art Erscheinung, für die C. G. Jung den Begriff „Synchronizität“ prägte. Ich zeigte, daß solche Parallelismen keine Ausnahmeerscheinungen sondern systematische Erscheinungen in der Geschichte sind. Und daß ähnliche synchrone Wellen von außerordentlichen Kreativität in verschiedenen Kulturbereichen periodisch wiederkehren in regelmäßigen Rhytmen. Mein Buch könnte also auch als ein Atlas der Synchronizität betrachtet werden, seit Steinzeit bis heute.

 

Daß Geschichte bestimmten Rhythmen und gewissen synchronen Wellen unterliegt, ist seit altersher bekannt. In der Anthroposophie ist manches in dieser Richtung getan worden.

Es ist ja bekannt seit Altertum, aber nur in der form eines traditionellen Mythos, der für das moderne Bewußtsein von jeglichem Inhalt entleert ist. In der Wissenschaft galt es bisher für nichts mehr als einen unbegründeten Glauben. Man sah keine Rhytmen in der Geschichte.

Rudolf Steiner hat die Zeitgeisterlehre schon wiederbelebt. Seine Bemerkungen dazu sind aber sehr zerstreut und unsystematisch. Außerdem erwähnte Steiner explizit nur die 354-jährige Zeitgeister, über die auch der Abt Johannes Trithemius einst sprach. Dieselben sieben Erzengel lösen sich aber auch als kleinere Zeitgeister ab, die je 72 Jahre beherrschen. D. h. auch jeder Bogengrad des Himmelsgewölbes in der Präzessionbewegung ist durch einen der Planetengötter beherrscht. Daran haben die altbabylonischen Priester ihren Kalender aufgebaut.

Diese kleinere Zeiträume stellen nämlichsolche wichtige Perioden wie Renaissance, Aufklärung oder Romantik dar. Ohne das Wissen über diese feinere qualitative Struktur der Zeit ins Betracht zu ziehen war die statistische Identifikation der Geschichtsrhytmen unmöglich.

 

Sie haben also einen Zusammenhang, eine statistische Korrelation zwischen den Wellen des Kulturwachstums und den Daten der Erzengelherrschaften, wie sie durch die alte Tradition vorhergesagt worden sind, gefunden?

Genau. Nehmen wir zum Beispiel die berühmtesten Ärzte, wie Hippokrates, Galenos, Charaka, Avicenna. Sie erscheinten regelmäßig in den Zeitaltern des Rafael, der traditionell der Patron der Medizin ist. Nach einer Legende hat der Erzengel Zachariel Abraham Mathematik mitgeteilt. Abraham lebte in einem Zachariel-Zeitalter und die größte mathematische Entdeckungen sind wirklich in den Zachariel-Zeitaltern getan worden. In den Oriphiel-Zeitaltern erscheinten regelmäßig Historiker gleichzeitig im Westen und im Osten. Die besten Dichter weltweit kamen in den Anael-Zeitaltern. Anael ist niemand anders als die altbabylonische Inanna, Venus, also die Göttin der Liebe, Inspiratorin der Kunst, Musik und Dichtung. Das letzte Anael-Zeitalter gab es in 1773-1845, also während der Romantik.

Es ist erschütternd festzustellen, daß die eben verflossenen 72 Jahren des Kommunismus, seit der Oktoberrevolution in 1917 bis 1989 haargenau das Zeitalter des Samael waren. Es ist der jüdische Name für den altbabylonischen Nergal, den Marsgott, der nach Blut durstet und immer Gewalt mit sich bringt. Diese Daten stehen auf ausgegrabenen Tontabellen die mindestens dreitausend Jahre alt sind! Zehn solche Mars-Zeitalter gab es seit Anbeginn der Geschichte und alle waren gewaltsam. Sie stimmen mit den zerstörerischen Einfällen der Nomaden aus Asien (Mongolen, Hunen, Hyksos) überein.

Der Umbruch im 1989 entspricht der Ablösung des Samael durch Zachariel-Jupiter. Jupiter ist zugleich der genius loci Europas, also ist die Vereinigung Europas seitdem ein hochaktuelles Thema. Es scheint der Traum des vereinigten Europas Karls des Großen aus dem großen Zachariel-Zeitalter wiederzukehren.

 

Ihre Berechnungen stützen sich auf das, was historisch überliefert ist. Wie hoch schätzen Sie den Fehler ein, der durch Verlust von Kulturzeugnissen entstanden sein könnte?

Je weiter zurück in die Geschichte und Vorgeschichte wir vordringen, desto ärmer und zufälliger sind die Kentnisse, die uns zur Verfügung stehen. Vieles blieb unbekannt. Für mich war aber nur das wichtig, damit ich alle Zeugnisse ins Betracht nehme, die bekannt sind. Man kann nicht voraussetzen, daß die Geschichte uns gerade nur die Fakten überliefert, die in meine Hypothese hineinpassen, und die andere verheimlicht. Also es ist unwahrscheinlich, daß neue Entdeckungen etwas wesentliches daran ändern können.

 

Haben andere Wissenschaftler zu Ihrer Forschung Stellung genommen?

Im Oktober wird an der Fakultät der Philosophie der Komensky-Universität ein interdisziplinares Kolokvium zu meiner Angelologie stattfinden. Es werden Historiker, Philosophen, Religionisten, Soziologen, Psychologen, Theologen, Kunsthistoriker und Futurologen teilnehmen. In der ersten Runde schlugen die Opponenten meine Arbeit durch unabhängige Kontrollstudien zu prüfen. Die zwei ausführlichsten un umfangreichsten Studien der Kurven des Kulturwachstums hat der amerikanische Anthropologe Kroeber und der russische Soziologe Sorokin gemacht. Skeptiker waren sicher, daß dies eine schnelle und definitive Falsifizierung meiner Hypothese bedeuten wird. Es geschah das Umgekehrte. Beide Studien haben meine Voraussetzungen stark unterstützt.

Außerdem hat Professor Mikulecky, eine renomierter Chronobiologe, durch Computeranalyse die von mir angegebenen Rhythmen in der Geschichte der Poesie, Medizin und Geschichtsschreibung bestätigt. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, daß es sich nur um scheinbare Rhythmen handeln könnte, gleicht fast Null.

 

Ein Exemplar Ihrer Angelologie haben Sie dem Papst gewidmet. Sollte die Kirche nicht jubeln, wenn die Wissenschaft jetzt beweist, daß sie doch Recht hatte?

Ja, das sollte sie auch meiner Meinung nach. Paradoxerweise ist sie aber in eine Verlegenheit ganz neuer Art geraten. Ich verteidige jetzt den orthodoxen Katholizismus gegen die römische Kirche. Die Kirche hat nämlich inzwischen so weitgehende Kompromisse mit dem materialistischen Geist unserer Zeit geschlossen, daß sie die Engellehre praktisch weggelassen hat. Wenn sie jetzt die Existenz der Zeitgeister verneint, verneint sie damit ihre eigene hochscholastische Lehre aus dem Mittelalter. Wenn Sie aber meiner Angelologie zustimmt, folgt eine ganze Reihe unangenehmer Fragen: Gibt es also doch wahres Wissen über geistige Welten auch außerhalb der Kirche? Wieso wissen die Priester darüber nichts mehr?Wieso hat der Vatikan die übrigen Erzengel außer Michael, Gabriel und Rafael verboten zu verehren? Usw.

 

Nachdem wir den Blick auf die vergangene Geschichte gewendet haben, wäre es interessant, welche Konsequenzen sich anhand dieser Rhythmen für die Zukunft ergeben. Und wie verhält es sich mit den Wirksamkeiten der Zeitgeister im Zusammenhang mit der menschlichen Freiheit und des Menschen Schicksal?

Sollten wir die alte Engellehre in die Sprache der modernen Psychoanalyse übersetzen, könnten wir sagen, daß die Erzengel im kollektiven Unbewußten der Völker wirken. Jung hatte die Ahnung, daß es im kollektiven Unbewußten eine langfristige Abwechslung von seelischen Dominanten (oder Archetypen) stattfindet, die sich nach Außen im Wechsel der religiösen Kulten, Kunststile, Ideenströmungen und Gesellschaftsformen äußert.

Man kann also erwarten, daß in der Zukunft mit der Rückkehr des jeweiligen Zeitgeistes die Menscheit wieder mit derselben archetypalen Kraft zu tun haben wird und mit ähnlichen Aufgaben und Versuchungen ringen muß. Das heißt aber nicht, daß sich dieselben geschichtlichen Ereignisse abspielen müssen. Von dem geistig-moralischen Zustand der Menschen hängt es ab, wie die Einzelnen auf den Einfluss der himmlischen Kräfte reagieren. Nur ein  kleinerer Teil ist üblich im Stande diese Kräfte bewußt schöpferisch in Kultur umzuwandeln, bei der Mehrheit wirkt es nur instinktiv und oft zerstörerisch.

Es steht uns ein Oriphiel-Zeitalter jetzt bevor. Dieser Zeitalter hat mit den Willenskräften zu tun und droht immer in eine absolutistich-zentralistische und ganz mechanisch-legislative Staatsordnung abzugleiten. So geschah es regelmäßig, aber nicht immer. Es scheint, daß um das Jahr 1000 haben die Benediktiner Europa vor einem Absolutismus gerettet, durch bewußtes asketisches Meistern eigener Willenskräfte. Es stehen also Alternativen vor uns. Das Anael-Zeitalter, das danach folgt, bringt zum Beispiel immer religiöse Bewegungen, oder große Kunst. Wenn aber nicht, dann anstatt dessen sexuelle Verworfenheit.

 

Karl Popper argumentierte im „Elend des Historizismus“, daß keine langfristige geschichtliche Voraussagungen (z. B. der Revolutionsperioden) möglich sind.

Popper irrte. Seine Argumente waren scheinbar logisch, aber sonnst ganz theoretisch und hatten mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Ich habe die Hypothese aufgestellt, daß die Revolutionsperioden regelmäßig wiederkehren. Und zwar in den Zeitaltern der altbabylonischen Inanna, der Göttin der Leidenschaften. Mein Grund dafür ist der, daß dieselbe Göttin auch das dritte Jahrsiebt (während der Pubertät) im Menschenleben beherrscht. Es soll also das ganze Wesensbild der Pubertät, einschließlich der Revolutionstendenzen der Jugend, im Großen in der Geschichte auftreten. Es hat sich volkommen bestätigt, durch zwei unabhängige Studien der Geschichte Europas und Chinas. Das bedeutet, daß die babylonischen Priester die Revolutionsepochen auf fünftausend Jahren vorher korrekt vorausgesagt haben! Bis die Sexualkraft nicht veredelt ist, werden die Revolutionsepochen in der Geschichte voraussagbar bleiben mit dergleichen Sicherheit, wie sie im Menschenleben mit der Pubertät auftreten.

 

Wie werden Sie Ihre Forschungsarbeit weiterführen?

Ich arbeite am zweiten Teil – an der „Angelologie der Natur“. Mit derselben Methode als in der Geschichte will ich zeigen, daß es Synchronizitäten und Rhythmen auch in der Evolution der Pflanzen und Tiere gibt. Es haben sich oft ähnliche Formen und Funktionen bei mehreren Pflanzen- und Tierarten, die sich niemals genetisch kreuzen konnten, gleichzeitig entwickelt. Es gibt also auch Zeitgeister der geologischen Epochen. Daraus folgt unmittelbar, daß die sogenannten zufälligen Mutationen eben nicht zufällig waren. Kein Chaos, aber ein Logos beherrscht die Evolution des Lebens.

Einer der wunderschönsten Teile dieser Arbeit ist es zu entdecken, wie die geistigen Wesenheiten, die einst in der Natur bei der Bildung bestimmten Pflanzen- oder Tierformen mitwirkten, dieselben Formen dann in ihren eigenen Zeitaltern in der Kunstgeschichte, z. B. in den Architekturformen oder in der Mode wieder nachahmten. Die Mondwesen, die vor 600 Milionen Jahren bei der Entwicklung der Muscheltiere wirkten, inspirierten das Barock, das auf der Perle und Muschel basiert. Die Merkurwesen, die einst den Brustkorb und das Blattsystem der Pflanzen formten, kehren wieder in dem rhytmischen Element der Gotik. Die Venuswesen, die den Vögeln und Blumen die prachtvolle Farben verliehen haben, schmückten in ihrem Zeitalter auch  die Katedralen mit Rosetten aus Farbglas. Die Sonnenwesen, die uns den Rückrat und den Pflanzen den Stengel geschenkt haben, schafften ebenso die ionische Säule oder den Obelisk, als den Hauptelement der Architektur der Sonnenzeitalter.

Es ist fast augenscheinlich, wie alles in der Welt durch die Engelchöre ausgesprochen oder aus-gesungen worden ist. Ich habe das Gefühl, daß ich durch mein Denkvermögen die Sphärenmusik vernehmen kann.